Das Krumme Wasser macht seinem Namen alle Ehre
[23.03.2016] Wozu ein Bach imstande ist, wenn dieser nicht in seinem Lauf fixiert wird, zeigt sich aktuell sehr anschaulich am Krummen Wasser oberhalb von Einbeck. Nahezu das gesamte Spektrum der „klassischen“ morphologischen Strukturen eines natürlichen Fließgewässers wird dort abgedeckt.
Die Gewässermorphologie beschreibt die Gestalt eines Fließgewässers, d.h. seine einzelnen Strukturen (z.B. Uferabbrüche, Anlandungen, Kolke, …) und die dazu führenden Prozesse. Der aufmerksame Beobachter erkennt schnell, wie das Wasser dem Ufer und der Bachsohle zusetzt, sie abträgt und das mobilisierte Material weiter unterstrom wieder ablagert; wie der Bewuchs die Strömung bei Hochwasser lenkt und maßgeblich das Aussehen des Bachbettes prägt.
Gerade jetzt im zeitigen Frühjahr, wenn die Ufer noch frei von Vegetation sind, gibt es allerhand zu entdecken, wie auf den folgenden Bildern zu sehen…
Manch einem mag dies sehr “unordentlich” oder ungeregelt vorkommen. Sind wir doch sehr auf einen möglichst statischen, sich nicht ändernden Zustand aus. Aber gerade diese Dynamik ist es, die dem Bach seinen Charakter verleiht. Nach jedem größeren oder kleineren Hochwasser sieht das Gewässerbett anders aus. Die regelmäßige Umlagerung und Mobilisierung von Steinen, Kies und Sand auf der Sohle (das so genannte “Geschiebe”) ist wichtig für die Qualität dieses Lückensystems als Lebensraum für allerhand Arten. Auch für die Fische, denn beispielsweise brauchen Bachforellen oder Äschen lockere, gut durchströmte Kiesbetten, um darin ihren Laich abzulegen.
Ein Fließgewässer fließt niemals strikt geradeaus. Auch nicht, wenn sein Lauf begradigt und so stark befestigt ist, dass es nicht „ausbrechen“ kann. Die Strömung pendelt immer von einem Ufer zum anderen und sorgt allein dadurch schon für ein Mindestmaß an Abwechslung. Fehlen solche Uferbefestigungen nun teilweise oder gar vollständig, beginnt des Gewässer seinen Lauf zu verlagern. Je nach anstehendem Boden, der Verfügbarkeit von Geschiebe und vor allem der Intensität der Hochwasserabflüsse laufen diese Prozesse mehr oder weniger schnell ab.
In einer Krümmung wirkt auf das Wasser eine Fliehkraft nach Außen ein. Verfolgt man ein Wasserteilchen auf seinem Weg durch diese Krümmung, so wird es zunächst an das so genannte Außen- oder Prallufer gedrückt, an dem sich der Wasserspiegel durch diese Fliehkraft anhebt. Dadurch entsteht ein Druckunterschied hin zum Innen- oder Gleitufer und das Bestreben dies auszugleichen. Die Bahn des Wasserteilchens wird dann zur Sohle hin gelenkt und läuft dort weiter zum Innenufer (vgl. Bild 5 und Bild 6). Dieser Effekt wird “Spiralströmung” genannt und sorgt dafür, dass das mitgeführte Geschiebe in einer Krümmung immer zum Innenufer transportiert wird und sich dort zum Teil ablagert. Am Prallufer wird also die Sohle erodiert, liegt tiefer (Kolk) und die Körner sind eher grob, während am flachen Gleitufer sich das feinere Material ablagert.
Kein Wunder, dass sich die Fische dort eigentlich wohlfühlen ;-)
Anmerkung: Im Sommer sieht das Bild leider etwas anders aus. Fortsetzung folgt.